Der Fall „Carlos“

Carlos war kurz nach der Ankunft in Las Palmas krank geworden. Zuerst dachte ich es sei bloss ein einfacher und weit verbreiteter „Hangover“. Aber nach ein paar Tagen musste das ausgeschlossen werden. Denn auch wenn er schon 53 Jahre alt war konnte ein Kater ja nicht mehrere Tage andauern. Wir wollten schon ein paar Mal mit ihm zum Arzt aber er wollte nicht.
Als ich dann am 25. Dezember mit dem kleinen Fahrrad durch Las Palmas fuhr und ständig darüber nachdachte was mit Carlos nicht stimmte, kam mir plötzlich in den Sinn wie er mir erzählte, dass er Anfang des Jahres einen Schlaganfall hatte. Deshalb war er auch körperlich nicht mehr ganz so fit und konnte zwei Finger der rechten Hand nur noch mit viel Mühe einsetzen.
Ich hatte keine Ahnung von den Symptomen eines Hirnschlages. Ich musste mehr darüber herausfinden. Vielleicht war es ja erneut ein Schlaganfall.
Ich fuhr also direkt zum Boot zurück und googelte die Symptome des Schlaganfalls. Müdigkeit, starkes Desinteresse und Lähmungen an Händen, Armen und Beinen sind die Hauptsymptome.
Als ich Carlos dann genau beobachtete stellte ich fest, dass er genau diese Symptome aufwies.
Da er sich nur zwischen den Standorten Bett, Toilette und den Tischrand bewegte, welche sich alle innerhalb von zwei Metern befinden und er seit Tagen fast nichts gesprochen hatte war es sehr schwierig festzustellen, dass er diese Lähmungssymptome an Hand und Bein hatte.
Ich machte Carlos also klar, dass ich mir ziemlich sicher sei, dass er einen erneuten Schlaganfall hatte. Als ich ihm klar machte, dass ich ihn jetzt in jedem Fall in ein Spital einliefern werde, schaute mich nur mit grossen Augen an und willigte ein. Während er sich mühsam, so gut es ging anzog machte ich eine Liste mit den wichtigsten Worten in Deutsch, Englisch und Spanisch um das Ganze erklären zu können. Dann packte ich meinen Rucksack mit allem was man für eine lange Nacht so braucht.
Als er dann bereit war, Pass, Versicherungskarte, etc. auf sich trug, setzte ich ihn in einen Stuhl auf dem Heck des Schiffes und wies ihn an zu warten bis ich Hilfe organisiert habe da ich ihn unmöglich alleine vom Schiff runter und in ein Spital befördern konnte.
Mit dem Fahrrad fuhr ich zur Polizeistation am anderen Ende des Hafengeländes.
Da hier fast niemand eine andere Sprache spricht als Spanisch, auch Polizisten und Ärzte nicht, ist es sehr schwierig jemandem zu erklären was passiert ist und was man will. Mit meiner Übersetzungsliste gelang es mir dann den Polizisten zu erklären was passiert war und zusammen konnten wir einen Ambulanzwagen organisieren. Es war nun etwa neun Uhr am Weihnachtsabend.
Zurück beim Boot mussten wir zu zweit das schaukelnde Boot mühsam an den Steg ziehen und festhalten während drei weitere Rettungskräfte Carlos über das nur 25cm breite Brett auf den Steg transportierten. Carlos war nicht mehr in der Lage selbst zu gehen oder zu stehen. Das machte das Vorhaben sehr heikel. Mit Müh und Not schafften wir es knapp, dass er nicht baden ging.
Danach wurden wir mit dem Ambulanzwagen ins nächste Krankenhaus gebracht wo er untersucht wurde und dann mit einem anderen Wagen ins nächste Krankenhaus in die Notaufnahme. Bis um etwa 2 Uhr morgens durchlief Carlos diverse Untersuchungen und ich erklärte bestimmt acht Mal das ganze Szenario verschiedenen Schwestern und Ärzten. Um halb vier Uhr morgens kam dann nach einer MRT Untersuchung der definitive Befund, dass Carlos wie vermutet einen erneuten Schlaganfall erlitten hat. Dann konnte ich nichts mehr weiter für Ihn tun. Ich ging also zu Fuss zum Boot zurück. Nach einer Stunde Fussmarsch bin ich dann endlich angekommen und viel total kaputt ins Bett.
In den nächsten Tagen organisierte ich alles damit Carlos möglichst schnell behandelt wurde. Da es mitten in den Feiertagen war, erwies sich das als äusserst schwierig. Ich nahm mit der Versicherung Kontakt auf, telefonierte mit Ärzten aus der Schweiz und Deutschland, versuchte immer die neusten Informationen im Spital zu bekommen und informierte dann auch die Familie. Täglich besuchte ich Carlos. Mit dem Fahrrad eine halbe Stunde den Hügel hoch und dann wieder eine Viertelstunde mit Vollgas runter.
Ausser zwei bis drei Worte konnte Carlos nicht mehr sprechen und lag nur die ganze Zeit in seinem Krankenhausbett. Ich habe immer mindestens eine Stunde lang mit ihm gesprochen und erzählt was ich den ganzen Tag so machte. Da in den Tagen keine Physiotherapeuten arbeiteten, fing ich an mit ihm Übungen mit Arm und Bein zu machen, dass er sich wenigstens ein bisschen bewegte, was in diesem Zustand sehr wichtig ist.
Den Rest der Tage verbrachte ich mit Arbeiten ums Boot. Ich war nun alleine für die Vorbereitungen vor Ort verantwortlich.
Aber einmal war trotzdem noch ein kurzer Segelausflug mit dem Segelboot einer Nachbarin der „Rainbow Lady“ und einem lustigen Grüppchen Leute, inklusive einem Tauchgang möglich.
Carlos Laune war von Tag zu Tag besser und er konnte auch Hand, Arm und Bein leicht bewegen. Ab und zu konnte er auch noch ein Wort mehr sagen wie „Ja“ und „Nein“. Das war super und liess uns hoffen, dass er wieder gesund werden wird.
Am 8. Januar wurde Carlos dann nach Liechtenstein zurück transportiert. Ich war riesig froh, dass alles geklappt hatte und er nun zu Hause in Behandlung ist und von seine Familie unterstützt wird.

Ich wünsche Dir Carlos an dieser Stelle nur das Beste, gute Besserung und viel Kraft für deine Therapien damit Du bald wieder die Welt unsicher machen kannst 🙂

Ein Gedanke zu „Der Fall „Carlos““

  1. Super Danke! du bist so ein toller und hilfsbereiter Mensch dir gilt meine Bewunderung für dein Handeln!
    Du hast Carlos zurück ins Leben geholt!
    Ich bin Carlos ältere Schwester D A N K E!
    Hoff das wenn du wieder mal zurück bist in der Schweiz.
    Du uns in Liechtenstein besuchen kommst! würde mich sehr freuen wenn ich den Menschen Dani mal treffen dürfte :-)))
    Gruss lorena

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